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Einleitung
Die Geschichte der Firma Friedrich Sedlatzek steht beispielhaft für den Wandel deutscher Handwerks- und Auszeichnungstradition zwischen Kaiserreich, Weimarer Republik und der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg.
Als Berliner Juwelier und Goldschmied entstand das Unternehmen in einer Epoche, in der Orden und Ehrenzeichen weit über ihren militärischen Zweck hinausgingen – sie waren Ausdruck von Ehre, sozialem Rang und handwerklicher Präzision.
Mit dem Aufstieg des Nationalsozialismus und der erneuten Einführung militärischer Auszeichnungen gewann dieser Bereich erneut an Bedeutung. Das Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes, höchste Tapferkeitsauszeichnung des Zweiten Weltkriegs, steht sinnbildlich für diese Epoche – und bildet den Ausgangspunkt vieler Diskussionen über Sedlatzeks Rolle als Händler, Werkstatt und möglicher Zulieferer.
Friedrich Sedlatzek – Berliner Juwelier zwischen Tradition und Neubeginn
Die Firma Friedrich Sedlatzek war ein traditionsreiches Berliner Juwelier- und Goldschmiedegeschäft mit Sitz in der Friedrichstraße 204, Berlin S.W. 68. Gegründet vermutlich in den 1880er-Jahren, spezialisierte sich das Unternehmen auf Gravuren sowie Gold- und Silberschmiedearbeiten. Bereits im Kaiserreich bediente Sedlatzek einen gehobenen Kundenkreis, zu dem auch Offiziere und Veteranen gehörten, die dort Schmuckstücke, Ehrenzeichenzubehör und persönliche Auszeichnungen anfertigen oder überarbeiten ließen.
In der Zwischenkriegszeit führte Sedlatzek den Betrieb fort und erweiterte das Sortiment um militärische Auszeichnungen, Etuis und Zubehörteile. Besonders ehemalige Frontsoldaten des Ersten Weltkriegs suchten dort Ersatzstücke, Miniaturen oder repräsentative Zweitstücke.
Während des Dritten Reiches blieb Sedlatzek eine bekannte Adresse für die wohlhabendere Berliner Bevölkerung und für Offiziere, die dort Auszeichnungen erwerben oder überarbeiten ließen. Anfang 1945 wurde das Geschäft bei Luftangriffen auf Berlin zerstört. Teile des Lagers und der Werkstattausrüstung gelangten nach Kochel am See (Bayern), wo Sedlatzek kurz nach Kriegsende seine Tätigkeit in kleinerem Umfang wieder aufnahm. Zeitzeugen berichten, dass dort noch größere Mengen an Orden, Etuis und Zubehör aus Berliner Beständen vorhanden waren.
Nach 1948 kehrte Sedlatzek nach Berlin zurück und nahm den Geschäftsbetrieb erneut auf. In den Berliner Adressbüchern der frühen 1950er-Jahre erscheint die Firma wieder – zunächst als „Friedrich Sedlatzek, Juwelier“, später auch als Werkstatt für Gold- und Silberschmiedearbeiten.
Zwischen Handel und Juweliers-Handwerk – Sedlatzeks Tätigkeit im Detail
Erhaltene Auszeichnungen mit der Firmenbezeichnung auf der Rückseite belegen, dass Sedlatzek nicht nur verkaufte, sondern auch Stücke überarbeitete oder anpasste. Das Unternehmen kaufte frei verfügbare Orden, Einzelteile oder Rohlinge sowie Zubehörteile zu und versah diese bei Bedarf mit dem eigenen Firmennamen – meist durch Gravuren oder kleine Metallschildchen, wie es bereits in der Kaiserzeit üblich war.
Bekannt sind große Ordensspangen, kleinere Bandspangen mit Stoffetiketten sowie Knopflochdekorationen, deren Knöpfe den Schriftzug des Hauses tragen. Auch Etuis mit entsprechender Kennzeichnung sind überliefert. In mehreren Fällen wurden Stücke repariert, ergänzt oder mit neuen Nadelsystemen versehen.
Sedlatzek verfügte über erfahrene Goldschmiede und befand sich in unmittelbarer Nähe mehrerer etablierter Berliner Ordenshersteller. So war es möglich, Einzelteile oder komplette Auszeichnungen zu beziehen, anzupassen oder individuell für Kunden anzufertigen.
Das sogenannte „Sedlatzek-Ritterkreuz“ – Herkunft, Besonderheiten und Diskussion
Ich möchte hier nicht, im übertragenen Sinne, das Rad neu erfinden. Über die sogenannten Sedlatzek-Ritterkreuze wurde bereits viel geschrieben – Vermutungen geäußert, Thesen aufgestellt und Indizien gesucht. Doch wirklich konkrete und zweifelsfrei belegbare Beweise gibt es bis heute nicht. Mein Ziel ist es, einen etwas anderen Blickwinkel einzubringen – ergänzt durch eigene Beobachtungen und Überlegungen, die sich im Laufe der Zeit ergeben haben.
Im Zusammenhang mit Friedrich Sedlatzek wird seit Jahrzehnten ein spezielles Exemplar des Ritterkreuzes des Eisernen Kreuzes diskutiert, das in Sammlerkreisen als „Sedlatzek-Ritterkreuz“ bezeichnet wird. Die Bezeichnung beruht nicht auf einer amtlichen Herstellerzuordnung, sondern auf einem Stück, das angeblich aus Sedlatzeks Nachkriegslager in Kochel am See stammt oder ihm aufgrund bestimmter Merkmale zugeschrieben wird.
Nach Berichten tauchte im Spätsommer 1945 ein Ritterkreuz mit auffälligen Eigenheiten auf – insbesondere einer charakteristischen „eintauchenden Öse“ und leichten Abweichungen in der Fertigung. Anders als viele andere Auszeichnungen, die Sedlatzek vertrieb oder überarbeitete, lässt sich dieses Stück keinem der bekannten Hersteller zuordnen, weder im Rahmen noch im Kern. Diese fehlende Übereinstimmung mit den Werkzeugen der zugelassenen Ordenslieferanten gilt bis heute als zentraler Punkt der Diskussion.
Auffällig ist zudem, dass bislang kein einziges unberührtes Konvolut oder Nachlassstück bekannt ist, in dem ein solches Kreuz zweifelsfrei nachweisbar enthalten war. In vielen Fällen muss davon ausgegangen werden, dass die sogenannten Sedlatzek-Ritterkreuze nach dem Krieg nachgekauft oder – ohne Wissen und Zustimmung der ursprünglichen Träger ausgetauscht wurden.
Unbestritten ist, dass Sedlatzek kein offizieller Lieferant der Präsidialkanzlei war und daher keine Verleihungsstücke ausgab. Umstritten bleibt jedoch, wann und unter welchen Umständen dieses Kreuz gefertigt wurde.
Ein Teil der Forschung hält den sogenannten Sedlatzek-Typ für zeitgenössisch, also vor 1945 entstanden – möglicherweise als frei erhältliches Nachkaufstück, das über den zivilen Handel bezogen werden konnte. Andere Autoren sehen die Herstellung erst nach Kriegsende, in der Übergangszeit ab Sommer 1945, als Werkstätten mit Restmaterial weiterarbeiteten oder neue Stücke für Sammler, Veteranen und Händler produzierten.
Als möglicher Hersteller wird gelegentlich die Wiener Firma Souval genannt, während Sedlatzek als vertreibender Händler gilt. Dafür sprechen einzelne Übereinstimmungen im Zahlendesign. Mit der Gründung der Leistungsgemeinschaft Deutscher Ordenshersteller (LDO) Ende 1941 wurde der freie Handel mit Auszeichnungen stark eingeschränkt, was erklärt, warum es zu diesem Typ keine offiziellen Fertigungsnachweise gibt.
Im Übrigen existieren Souval-Ritterkreuze, bei denen eindeutig identifizierte Steinhauer-&-Lück-Rahmen verwendet wurden – ein Hinweis darauf, dass zwischen den Herstellern zumindest in Teilen ein Austausch oder eine Nutzung vorhandener Komponenten stattfand.
Der von Dietrich Maerz in The Knight’s Cross of the Iron Cross 1939–1945 beschriebene Fund zeigt ein solches Exemplar. Es weist deutliche Alters- und Tragespuren auf – abgerundete Kanten und Farbverluste –, obwohl es aus einem Händlernachlass stammt und somit kaum im Einsatz getragen wurde. Wie diese Gebrauchsspuren entstanden sein könnten, bleibt unklar und sollte kritisch hinterfragt werden.
Erwähnenswert sind auch Fotografien, auf denen Ritterkreuze mit ähnlicher Ösenform zu sehen sind. Diese stammen aus dem Umfeld des Fotografen Heinrich Hoffmann, der bei Porträts von Ritterkreuzträgern gelegentlich auf nicht verliehene, aber repräsentative Exemplare zurückgriff.
Da von zukünftigen Trägern bereits vor der offiziellen Verleihung Fotos angefertigt wurden, ist denkbar, dass Hoffmann Leihstücke aus Berliner Fachgeschäften nutzte. Ob eines dieser auf den Bildern gezeigten Kreuze tatsächlich aus Sedlatzeks Bestand stammte, bleibt unbewiesen.
Offen bleibt auch, ob einzelne Kreuze bereits vor Mai 1945 in Berliner Werkstätten gefertigt oder erst nach Kriegsende aus vorhandenen Materialien zusammengesetzt wurden. Beides ist denkbar, da Sedlatzek Zugang zu Werkstätten, Material und erfahrenem Personal hatte.
Heute wird das sogenannte „Sedlatzek-Ritterkreuz“ allgemein als nicht amtlich verliehenes Stück angesehen, das den Übergang zwischen offizieller Ordensfertigung und frühen Nachkriegsanfertigungen markiert. Es zeigt, wie unmittelbar nach 1945 verbliebene Werkstätten und Händler mit Restbeständen weiterarbeiteten oder neue Stücke herstellten – für Veteranen, Souvenirjäger, Sammler, aber auch für den Handel.
Schlusswort
Am Ende bleibt mehr zu hinterfragen als zu behaupten – und genau darin liegt der Wert dieser Geschichte.
Quellen und Hinweise
– Dietrich Maerz: The Knight’s Cross of the Iron Cross 1939–1945, B&D Publishing LLC
– Gordon Williamson: A Collector’s Guide to the Iron Cross
– Zeitzeugenberichte aus dem Umfeld Kochel am See (1945–1948)
– Eigene Beobachtungen, Sammlerrecherche und Archivvergleiche
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